8.5.2021 (geändert 24.6.2024)

Raw-Format für Einsteiger. Erster Teil.

Ob ihr einen fertigen Papier­abzug oder das Negativ eines Bildes in den Händen haltet, ist nicht das Gleiche. Genauso verhält es sich mit Jpegs und Raws. Ver­einfacht gesagt enthält ein Raw die »rohen«, also unverarbeiteten Bild­informationen des Kameras­ensors. Mit der ent­sprechenden Soft­ware habt ihr die volle Kon­trolle darüber, wie aus diesem digi­talen Nega­tiv das fertige Bild entsteht – von den Basis­einstellungen wie Helligkeit oder Kontrast bis hin zu komplexen Farbkorrekturen. Im Vergleich zu Jpegs enthalten Raw-Dateien mehr Bilddetails und feiner abgestufte Farben und lassen sich außerdem non-destruktiv bearbeiten. Das bedeutet, dass sich jede Ein­stellung beliebig oft ver­ändern und speichern lässt. Die Bild­daten selbst bleiben davon unberührt, nur die Anzeige ändert sich.

Ein Jpeg dagegen ist ein fertiges Bild, das die Kamera mithilfe verschiedener Voreinstellungen selbst erzeugt. Kamera-Jpegs müssen dabei keineswegs schlecht sein. Bei einigen Herstellern – für mich beispielsweise bei Fuji – sind sie sogar exzellent. Allerdings schöpft nur das Rohdatenformat das volle technische Potential eurer Kamera aus.

Diese kurze Einführung ist für diejenigen von euch gedacht, die sich das erste Mal mit dem Raw-Format beschäftigen. Dafür braucht es ein paar Grundlagen. Die mögen vielleicht etwas dröge wirken, können euch aber dabei helfen mehr aus euren Aufnahmen herauszuholen.


Histogramm

Die Bearbeitung eines Raws beginnt strenggenommen bereits bei der Aufnahme. Denn nur mit einem sauber belichteten Bild lässt sich die bessere Bildqualität dieses Formats effektiv nutzen. Das wichtigste Werkzeug ist dabei das Histogramm, dass die Helligkeitsverteilung und den Kontrastumfang eines Bildes grafisch darstellt. Während ein Foto auf dem Kameradisplay je nach Umgebungslicht mal heller und mal dunkler erscheinen kann, zeigt das Histogramm auf einen Blick zweifelsfrei, ob ein Bild fehlbelichtet ist oder ob Helligkeits- oder Farbwerte außerhalb des darstellbaren Bereichs liegen. Wenn das der Fall ist, werden diese Bildinformationen bei der Aufnahme abgeschnitten, also nicht gespeichert. Bei den meisten Kameras lässt sich das Histogramm deswegen bei der Aufnahme oder Wiedergabe eines Bildes einblenden. So könnt ihr schon beim Fotografieren korrigieren, was später zu einer schlechteren Bildqualität führen oder ein Bild im schlimmsten Fall sogar unbrauchbar machen kann.

Die Darstellung der Farb- und Helligkeits­werte im Histo­gramm ist simpler, als es vielleicht auf den ersten Blick aus­sieht. Der linke Rand steht für Schwarz, der rechte für Weiß. Die Höhe der Kurve zeigt die Menge an Bild­informationen im jeweiligen Bereich. Normaler­weise ist das Histo­gramm außerdem in vier neben­einander liegende , von feinen Linien getrennte Abschnitte unter­teilt: Schwarz­töne, Schatten, Lichter und Weißtöne.

Wie das Histogramm einer gut belichteten Aufnahme auszusehen hat, hängt vom Motiv ab. Es gibt keine genaue Vorgabe. Die Helligkeitswerte einer kontrastreichen Landschaftsaufnahme sollten sich gleichmäßig über die gesamte Breite verteilen. Eine kontrastarme Nebelaufnahme wird dagegen vorwiegend aus Mitteltönen, und ein bewusst dunkel gehaltenes Bild vor allem aus Schattentönen bestehen. Wichtig ist, dass die Farb- und Helligkeitswerte, die ihr im Bild festhalten möchtet, auch tatsächlich darin enthalten sind. Und genau dabei hilft das Histogramm. Die meisten Kameras und Rohdatenkonverter können außerdem über- und unterbelichtete Bereiche grafisch direkt im Bild darstellen, was sowohl bei der Aufnahme als auch bei der Bearbeitung hilfreich sein kann.

Natürlich braucht ihr das Histogramm nicht zwingend – bei manchen Aufnahmen wie etwa Schnappschüssen oder unwiederholbaren Motiven werdet ihr im Zweifelsfall ohnehin mit dem leben, was ihr habt, auch wenn es ein nicht optimal belichtetes Bild sein sollte. Viele Basiseinstellungen der Rohdatenkonverter beziehen sich aber direkt auf einen bestimmten Bereich des Histogramms. Sich damit auseinanderzusetzen kann sich also lohnen, um die einzelnen Einstellungen besser zu verstehen.


Basiseinstellungen

Der folgende Abschnitt wirkt auf den ersten Blick etwas trocken, weil er sich schlecht bebildern lässt. Richtig plakativ wirken die Veränderungen nur, wenn man sie übertreibt – was ja nicht Sinn der Sache ist. Ich empfehle, einfach ein Bild im Rawkonverter zu öffnen und parallel auszuprobieren. Learning by doing funktioniert ja ohnehin meist am Besten.

Belichtung

Verändert alle Farb- und Helligkeits­werte, das ganze Bild wir also heller oder dunkler. Normaler­weise korrigiert ihr damit leichte Ungenauig­keiten bei der Belichtung. Bei heutigen Kameras bewirkt ein Wert zwischen einer drittel bis halben Blende prak­tisch keine sicht­bare Verschlechterung der Bildqualität.

Helligkeit

Verändert nur die Mittel­töne des Bildes. Die sehr hellen oder sehr dunklen Bild­bereiche bleiben weit­gehend unberührt. Diese Ein­stellung ist nicht in jeder Software vorhanden.

Kontrast

Diese Einstellung ist eigent­lich selbst­erklärend: Dunkles wird dunkler, Helles wird heller. Erhöht ihr den Bild­­kontrast und hellt gleich­­zeitig die Schatten auf (und verhindert so deren Abdunkeln), führt das optisch zu mehr Brillianz in den helleren Bildbereichen.

Klarheit

Verändert nur den Kontrast der Mitteltöne – im Unterschied zum allgemeinen Kontrast, der sich auf das gesamte Bild bezieht. Ein höherer Wert sorgt dafür, das bestimmte Bildelemente klarer bzw. plastischer erscheinen. Ein negativer Wert dagegen verringert den Mitteltonkontrast und macht das Bild weicher, wodurch beispielsweise Nebel noch dunstiger wirken kann. Übertreibt ihr es dabei allerdings, kann der Bildeindruck schnell unnatürlich werden.

Jeder Rohdaten­konverter hat außerdem eigene Algo­rithmen für den Klarheit-Regler, sodass die Bild­wirkung zum Teil sehr unterschiedlich sein kann.

Lichter

Verändert die Hellig­keit der hellen Bild­bereiche. Damit lassen sich beispiels­weise Zeichnung im Himmel oder in sehr hellen Kleidungs­stücken wieder­herstellen. Dadurch kann das Bild aller­dings insgesamt an Brillianz verlieren, ihr solltet es also auch bei dieser Funktion nicht über­treiben.

Tiefen

Verändert die Hellig­keit der Schatten­bereiche des Bildes und hilft meist, dort die Zeichnung zu erhöhen. Grund­sätzlich gilt, dass das Bild­rauschen zunimmt, je stärker ihr ein Bild nach­träglich auf­hellt. Das gilt besonders für die dunklen Tonwerte (helle Bildbereiche sind wesent­lich gutmütiger). Eine gute Faust­regel ist, das Bild eher reichlich zu belichten und darauf zu achten, dass dabei keine Spitz­lichter beschnitten werden.

Weiß

Verändert die hellsten Bild­bereiche, die sogenannten Spitz­lichter. Hier ist Vorsicht geboten. Über­treibt ihr es dabei, können die Lichter »aus­fressen« und werden dann zu einer rein­weißen Fläche. Wenn ihr dagegen die Lichter abdunkelt und gleich­zeitig die Spitz­lichter etwas aufhellt, könnt ihr damit für mehr Differen­zierung in den hellen Bild­bereichen sorgen.

Schwarz

Verändert die dunkelsten Bild­bereiche und verhält sich analog zu dem Spitz­lichtern. Auch Schwarz­töne können »absaufen«, also jede Zeichnung verlieren. Dunkelt ihr die Schwarz­töne aber etwas ab und hellt gleich­zeitig die Schatten auf, könnt ihr damit die Differenz­ierung der dunklen Bildbereiche erhöhen.

Sättigung

Verändert die Farbsättigung des Bildes, und zwar linear und für alle Farben gleichermaßen.

Dynamik

Verändert ebenfalls die Farb­sättigung des Bildes, funktioniert aber etwas anders. Farben mit geringerer Sätti­gung werden hier stärker ver­ändert als solche, die bereits höher gesättigt sind. Gleich­zeitig berück­sichtigt diese Ein­stellung üblicherweise Haut­töne und verhindert, dass diese schnell über­sättigt dar­gestellt werden. Der Dynamik­regler arbeitet also etwas subtiler und ist im Zweifels­fall die bessere Wahl für etwas mehr Farbe im Bild. Die nicht-lineare Funktions­weise gilt übrigens auch dann, wenn ihr negative Werte ein­stellt: Farben mit gering­erer Sättigung werden dann geringer ent­sättigt als farb­intensivere Bereiche.

Auch hier hat jeder Rohdaten­konverter eigene Algo­rithmen mit ent­sprechend unter­­schiedlicher Bildwirkung. Auch die Benennung ist nicht immer gleich. So funktio­niert beispiels­weise der Sättigungs­regler in Capture One nicht linear, sondern eher so wie der Dynamik­regler in Light­room. Die lineare Sätti­gung kann dafür über das separate Farbeditor-Werkzeug verändert werden.

Weißabgleich

Einer der größten Vorteile des Rohdatenformats ist außerdem, dass ihr schnell und einfach den Weißabgleich einer Aufnahme korrigieren könnt. Technisch gesehen verändert ihr damit, wie die einzelnen Farbebenen des Sensors miteinander verrechnet werden – einen Prozess, auf den ihr bei einem JPG keinen Zugriff mehr habt. Ein wichtiger Punkt, da der automatische Weißabgleich selbst teuerster Kameras mal daneben liegen und dadurch die Farben verfälschen kann.

Die Farbtemperatur wird in Kelvin gemessen. Im Rohdaten­konverter lässt sie sich auf einer Achse zwischen Blau und Gelb korrigieren (kalt und warm). Den genauen Farb­ton könnt ihr anschließend zwischen Grün und Magenta fein­justieren. Außer­dem gibt es Vor­einstellungen für bestimmte Licht­situationen, etwa für Tages­licht oder Kunst­licht. Da aber die meisten Normal­fotografen fast nie bei genormtem Umgebungs- oder Studio­licht foto­grafieren, sind diese Werte eher als Orientierungs­punkte gedacht. Hilfreicher ist hier das Pipetten-Werkzeug, mit dem ihr einen Punkt im Bild anklicken könnt, der einem neutralen Weiß oder Grau entspricht.


Unter’m Strich

Grundsätzlich ist es ratsam, es mit allen Ein­stellungen nicht über­treiben. Wenn ihr nicht ganz genau wisst, was ihr tut, können zu krasse Ver­änderungen zu einer sicht­bar schlech­teren Bild­qualität führen, etwa durch Bild­rauschen oder Arte­fakte. Und das ist wiederum nicht Sinn der Sache. Weniger ist oft mehr, und ein sauber belichtetes Raw ist in jedem Fall der beste Ausgangs­punkt für ein gutes Endergebnis. Davon abgesehen ist es aber eine Frage des persönlichen Geschmacks, ob und wie sehr ihr ein Bild ver­ändert. Die Spanne reicht von natürlich bis künstlerisch-verfremdend. Was einem davon gefällt, bleibt jedem selbst überlassen.

Hat’s euch gepackt? Dann geht es hier zum zweiten Teil.

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