8.5.2021 (geändert 17.4.2023)

Raw-Format für Einsteiger. Erster Teil.

Ob ihr einen fertigen Papier­abzug oder das Negativ eines Bildes in den Händen haltet, ist nicht das Gleiche. Genauso verhält es sich mit Jpegs und Raws. Ver­einfacht gesagt enthält ein Raw die »rohen«, also unverarbeiteten Bild­informationen des Kameras­ensors. Mit der ent­sprechenden Soft­ware habt ihr die volle Kon­trolle darüber, wie aus diesem digi­talen Nega­tiv das fertige Bild entsteht – von den Basis­einstellungen wie Helligkeit oder Kontrast bis hin zu komplexen Farbkorrekturen. Im Vergleich zu Jpegs enthalten Raw-Dateien mehr Bilddetails und feiner abgestufte Farben und lassen sich außerdem non-destruktiv bearbeiten. Das bedeutet, dass sich jede Ein­stellung beliebig oft ver­ändern und speichern lässt. Die Bild­daten selbst bleiben davon unberührt, nur die Anzeige ändert sich.

Ein Jpeg dagegen ist ein fertiges Bild, das die Kamera mit­hilfe ver­schiedener Vor­einstellungen selbst erzeugt. Dabei wird ein Teil der Bild­informationen unwieder­ruflich gelöscht. Kamera-Jpegs müssen dabei keines­wegs schlecht sein. Bei einigen Herstellern – für mich beispielsweise bei Fuji – sind sie sogar exzellent. Trotzdem: Nur im Rohdatenformat könnt ihr das volle Potential eurer Kamera nutzen und eure Bilder verlustfrei bearbeiten.

Diese kurze Ein­führung ist für die­jenigen von euch gedacht, die sich das erste Mal mit dem Raw-Format beschäftigen und wissen möchten, wie das denn mit der Bearbeitung genau funktioniert. Dafür braucht es ein paar Grundlagen. Die wirken vielleicht etwas dröge, können euch aber dabei helfen bessere Bilder zu machen.


Histogramm

Die Bearbeitung eines Raws beginnt streng­genommen bereits bei der Aufnahme. Denn nur mit einem sauber belich­teten Bild lässt sich die bessere Bild­qualität dieses Formats effektiv nutzen. Das wichtig­ste Werk­zeug ist dabei das Histo­gramm, dass die Helligkeits­verteilung und den Kontrast­umfang eines Bildes grafisch dar­stellt. Während ein Foto auf dem Kamera­display je nach Umgebungs­licht mal heller und mal dunkler erscheinen kann, zeigt das Histo­gramm auf einen Blick, ob ein Bild fehl­belichtet ist oder ob Hellig­keits- oder Farb­werte außerhalb des darstell­baren Bereichs, also des Dynamik­umfangs bzw. Farb­raums liegen. Wenn das der Fall ist, werden diese Bild­informationen abgeschnitten, also nicht gespeichert. Bei den meisten Kameras lässt sich das Histo­gramm des­wegen bei der Auf­nahme oder Wieder­gabe eines Bildes ein­blenden. So könnt ihr schon beim Foto­grafieren korri­gieren, was später zu einer schlech­teren Bild­qualität führen oder ein Bild im schlimmsten Fall sogar unbrauchbar machen kann.

Die Darstellung der Farb- und Helligkeits­werte im Histo­gramm ist simpler, als es vielleicht auf den ersten Blick aus­sieht. Der linke Rand steht für Schwarz, der rechte für Weiß. Die Höhe der Kurve zeigt die Menge an Bild­informationen im jeweiligen Bereich. Normaler­weise ist das Histo­gramm außerdem in vier neben­einander liegende , von feinen Linien getrennte Abschnitte unter­teilt: Schwarz­töne, Schatten, Lichter und Weißtöne.

Wie das Histo­gramm einer gut belich­teten Auf­nahme auszu­sehen hat, hängt vom Motiv ab. Es gibt keine genaue Vorgabe. Die Helligkeits­werte einer kontrast­reichen Landschafts­aufnahme sollten sich gleich­mäßig über die gesamte Breite ver­teilen. Eine kontrast­arme Nebel­aufnahme besteht dagegen vorwiegend aus Mittel­tönen, und ein bewusst dunkel gehaltenes Bild vor allem aus Schatten­tönen. Wichtig ist, dass alle Farb- und Helligkeits­werte, die ihr im Bild fest­halten möchte, auch tat­sächlich darin ent­halten sind. Und genau dabei hilft das Histo­gramm. Die meisten Kameras und Rohdaten­konverter können außer­dem über- und unter­belichtete Bereiche grafisch direkt im Bild dar­stellen, was sowohl bei der Aufnahme als auch bei der Bearbeitung hilf­reich sein kann.

Natürlich braucht ihr das Histo­gramm nicht zwingend. Bei manchen Auf­nahmen – etwa bei Schnapp­schüssen oder unwiederhol­baren Motiven – müsst ihr im Zweifels­fall ohne­hin mit dem leben, was ihr habt. Auch wenn es ein nicht optimal belichtetes Bild sein sollte. Viele Basis­einstellungen der Rohdatenkonverter beziehen sich aber direkt auf einen bestimmten Bereich des Histo­gramms. Sich damit auseinander­zusetzen lohnt sich also, um die einzelnen Ein­stellungen besser zu ver­stehen.


Basiseinstellungen

Der folgende Abschnitt wirkt auf den ersten Blick etwas trocken, weil er sich schlecht bebildern lässt. Richtig plakativ wirken die Veränderungen nur, wenn man sie übertreibt – was ja nicht Sinn der Sache ist. Ich empfehle, einfach ein Bild im Rawkonverter zu öffnen und parallel auszuprobieren. Learning by doing funktioniert ja ohnehin meist am Besten.

Belichtung

Verändert alle Farb- und Helligkeits­werte, das ganze Bild wir also heller oder dunkler. Normaler­weise korrigiert ihr damit leichte Ungenauig­keiten bei der Belichtung. Bei heutigen Kameras bewirkt ein Wert zwischen einer drittel bis halben Blende prak­tisch keine sicht­bare Verschlechterung der Bildqualität.

Helligkeit

Verändert nur die Mittel­töne des Bildes. Die sehr hellen oder sehr dunklen Bild­bereiche bleiben weit­gehend unberührt. Diese Ein­stellung ist nicht in jeder Software vorhanden.

Kontrast

Diese Einstellung ist eigent­lich selbst­erklärend: Dunkles wird dunkler, Helles wird heller. Erhöht ihr den Bild­­kontrast und hellt gleich­­zeitig die Schatten auf (und verhindert so deren Abdunkeln), führt das optisch zu mehr Brillianz in den helleren Bildbereichen.

Klarheit

Verändert nur den Kontrast der Mittel­töne – im Unter­schied zum allgemeinen Kontrast, der sich auf das gesamte Bild bezieht. Ein höherer Wert sorgt dafür, das bestimmte Bild­elemente klarer bzw. plas­tischer erscheinen. Ein negativer Wert dagegen verringert den Mittelton­kontrast, wodurch beispiels­weise Nebel noch dunstiger wirken kann. Übertreibt ihr es dabei allerdings, kann der Bild­eindruck schnell unnatürlich werden. Der der Effekt ist auch nicht immer erwünscht – etwa dann, wenn Haut­unreinheiten oder Bildrauschen verstärkt werden oder das Bild »analoger« wirken soll.

Jeder Rohdaten­konverter hat außerdem eigene Algo­rithmen für den Klarheit-Regler, sodass die Bild­wirkung sich zum Teil sehr von­einander unterscheiden kann.

Lichter

Verändert die Hellig­keit der hellen Bild­bereiche. Damit lassen sich beispiels­weise Zeichnung im Himmel oder in sehr hellen Kleidungs­stücken wieder­herstellen. Dadurch kann das Bild aller­dings insgesamt an Brillianz verlieren, ihr solltet es also auch bei dieser Funktion nicht über­treiben.

Tiefen

Verändert die Hellig­keit der Schatten­bereiche des Bildes und hilft meist, dort die Zeichnung zu erhöhen. Grund­sätzlich gilt, dass das Bild­rauschen zunimmt, je stärker ihr ein Bild nach­träglich auf­hellt. Das gilt besonders für die dunklen Tonwerte (helle Bildbereiche sind wesent­lich gutmütiger). Eine gute Faust­regel ist, das Bild eher reichlich zu belichten und darauf zu achten, dass dabei keine Spitz­lichter beschnitten werden.

Weiß

Verändert die hellsten Bild­bereiche, die sogenannten Spitz­lichter. Hier ist Vorsicht geboten. Über­treibt ihr es dabei, können die Lichter »aus­fressen« und werden dann zu einer rein­weißen Fläche. Wenn ihr dagegen die Lichter abdunkelt und gleich­zeitig die Spitz­lichter etwas aufhellt, könnt ihr damit für mehr Differen­zierung in den hellen Bild­bereichen sorgen.

Schwarz

Verändert die dunkelsten Bild­bereiche und verhält sich analog zu dem Spitz­lichtern. Auch Schwarz­töne können »absaufen«, also jede Zeichnung verlieren. Dunkelt ihr die Schwarz­töne aber etwas ab und hellt gleich­zeitig die Schatten auf, könnt ihr damit die Differenz­ierung der dunklen Bildbereiche erhöhen.

Sättigung

Verändert die Farbsättigung des Bildes, und zwar linear und für alle Farben gleichermaßen.

Dynamik

Verändert ebenfalls die Farb­sättigung des Bildes, funktioniert aber etwas anders. Farben mit geringerer Sätti­gung werden hier stärker ver­ändert als solche, die bereits höher gesättigt sind. Gleich­zeitig berück­sichtigt diese Ein­stellung üblicherweise Haut­töne und verhindert, dass diese schnell über­sättigt dar­gestellt werden. Der Dynamik­regler arbeitet also etwas subtiler und ist im Zweifels­fall die bessere Wahl für etwas mehr Farbe im Bild. Die nicht-lineare Funktions­weise gilt übrigens auch dann, wenn ihr negative Werte ein­stellt: Farben mit gering­erer Sättigung werden dann geringer ent­sättigt als farb­intensivere Bereiche.

Auch hier hat jeder Rohdaten­konverter eigene Algo­rithmen mit ent­sprechend unter­­schiedlicher Bildwirkung. Auch die Benennung ist nicht immer gleich. So funktio­niert beispiels­weise der Sättigungs­regler in Capture One nicht linear, sondern eher so wie der Dynamik­regler in Light­room. Die lineare Sätti­gung kann dafür über das separate Farbeditor-Werkzeug verändert werden.

Weißabgleich

Einer der größten Vorteile des Rohdatenformats ist außerdem, dass ihr schnell und einfach den Weißabgleich einer Aufnahme korrigieren könnt. Technisch gesehen verändert ihr damit, wie die einzelnen Farbebenen des Sensors miteinander verrechnet werden – einen Prozess, auf den ihr bei einem JPG keinen Zugriff mehr habt. Ein wichtiger Punkt, da der automatische Weißabgleich selbst teuerster Kameras mal daneben liegen und dadurch die Farben verfälschen kann.

Die Farbtemperatur wird in Kelvin gemessen. Im Rohdaten­konverter lässt sie sich auf einer Achse zwischen Blau und Gelb korrigieren (kalt und warm). Den genauen Farb­ton könnt ihr anschließend zwischen Grün und Magenta fein­justieren. Außer­dem gibt es Vor­einstellungen für bestimmte Licht­situationen, etwa für Tages­licht oder Kunst­licht. Da aber die meisten Normal­fotografen fast nie bei genormtem Umgebungs- oder Studio­licht foto­grafieren, sind diese Werte eher als Orientierungs­punkte gedacht. Hilfreicher ist hier das Pipetten-Werkzeug, mit dem ihr einen Punkt im Bild anklicken könnt, der einem neutralen Weiß oder Grau entspricht.


Unter’m Strich

Grundsätzlich ist es ratsam, es mit allen Ein­stellungen nicht über­treiben. Wenn ihr nicht ganz genau wisst, was ihr tut, können zu krasse Ver­änderungen zu einer sicht­bar schlech­teren Bild­qualität führen, etwa durch Bild­rauschen oder Arte­fakte. Und das ist wiederum nicht Sinn der Sache. Weniger ist oft mehr, und ein sauber belichtetes Raw ist in jedem Fall der beste Ausgangs­punkt für ein gutes Endergebnis. Davon abgesehen ist es aber eine Frage des persönlichen Geschmacks, ob und wie sehr ihr ein Bild ver­ändert. Die Spanne reicht von natürlich bis künstlerisch-verfremdend. Was einem davon gefällt, bleibt jedem selbst überlassen.

Hat’s euch gepackt? Dann geht es hier zum zweiten Teil.

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