
9.7.2021 (geändert 22.3.2022)
Raw-Format für Einsteiger. Dritter Teil.
Im Netz gibt es unzählige Videos zur Bildbearbeitung und den verschiedenen Programmen. Bei fast allen geht es um die Werkzeuge und wie sie funktionieren. Auch die ersten beiden Teile meiner Reihe »Raw-Format für Einsteiger« tun genau das. Was fehlt ist eine Antwort auf die Frage, warum man ein Bild auf eine bestimmte Weise bearbeitet.
Tatsache ist, dass euch in der digitalen Dunkelkammer kaum Grenzen gesetzt sind. Ihr könnt aus einem Bild machen, was ihr wollt. Und genau darum geht es in diesem dritten und letzten Teil dieser Reihe. Denn der vielleicht wichtigste Punkt im Bereich Digitalfotografie und Bildbearbeitung ist meiner Meinung nach, sich nicht in deren unendlichen Möglichkeiten zu verlieren. Ihr solltet nicht nur wissen was ihr tut, sondern auch warum.
Bildbearbeitung ist ein Prozess. Geschmäcker ändern sich, man macht neue Erfahrungen, entwickelt sich, lernt dazu. In derselben Raw-Datei seht ihr später vielleicht ein ganz anderes Bild. Selbst wenn nur ein einziger Tag zwischen ihnen liegt, können zwei Bearbeitungen völlig verschieden sein. Das folgende Bild etwa habe ich an einem stürmischen Nachmittag im Sommer 2017 an der Ostküste Bornholms aufgenommen und einige Wochen später entwickelt. Vor einigen Tagen habe ich mir das Bild erneut angeschaut und bearbeitet.
Die erste Bearbeitung war nicht schlecht. Sie zeigt aber auch nicht ganz das, was ich heute in dieser Aufnahme sehe und was ich damals beim Fotografieren empfunden habe. Das Ergebnis meiner zweiten Bearbeitung ist schwarzweiß, kontrastreicher, dunkler, leicht kühl getönt und mit einer feinen Filmkornsimulation. Die Strukturen von Fels, Gischt und Himmel sind stärker betont und der Blick enger. Das Bild kommt meinem Eindruck einer kraftvollen, rauen, eindrücklichen Szene sehr viel näher. Beide Versionen, die alte und die neue, sind gültig. Was sie unterscheidet, ist die Intention meiner Bearbeitung. Und das ist wiederum ein Punkt, der meiner Meinung nach in den meisten Tutorials und Erklärvideos zu kurz kommt.
Ich könnte dazu jetzt selbst etwas erzählen. Aber wie es der Zufall will, habe ich vor einigen Monaten den Bonner Naturfotografen Felix Wesch gefragt, ob er mir etwas zu seiner Bildbearbeitung erzählen kann. Einfach aus Interesse, und auch nicht zu den genauen Arbeitsschritten, sondern darüber, was bei ihm zwischen Bild im Kopf, Bild im Kasten und fertigem Bild passiert. Praktischerweise hat Felix auch einen kleinen Youtube-Kanal und ist dort ein paar Wochen später in einem Video auf meine Frage eingegangen, ausführlich und mit vielen Vorher-Nachher-Bildern:
Mittlerweile gibt es sogar ein zweites Video. Den positiven Kommentaren unter den Videos nach können auch andere diesen Gedanken zur Bildbearbeitung viel abgewinnen.
Für diejenigen, die gut Englisch sprechen: Der neuseeländische Fotograf William Patino hat zu diesem Thema vor wenigen Tagen ebenfalls ein Video veröffentlicht. Ausführlich und leicht verständlich erklärt er dort, wie er sich einem neuen Bild nähert und wie und mit welchem Ziel er es bearbeitet. Und warum er sich Zeit nimmt es in Abständen immer wieder zu begutachten, bevor er es veröffentlicht.
Natürlich beziehen sich diese Videos in erster Linie auf Natur- und Landschaftsfotografie. Andere Richtungen wie Portrait- oder Architekturfotografie haben ihre eigenen Anforderungen und Möglichkeiten. Das Prinzip der bewussten Bildbearbeitung aber bleibt gleich.